Wie schon in dem Beitrag über den Präfekten angerissen, hat die Kommune und vor allem der Präfekt wenig Interesse, die Finanzierung von GV auf eine dauerhafte und von Entscheidungen einzelner Personen in der kommunalen Verwaltung unabhängige Basis zu stellen. Daher sollten wir als GN davon ausgehen, dass es bis auf Weiteres bei dem Status quo bleibt.
Ohnehin sind die Kräfte von Marta und ihrem Team z.Zt. stark von dem aktuellen Projekt in Anspruch genommen: Die Erneuerung der Elektroinstallationen während des laufenden Betriebes ist eine Herausforderung, die nicht ‚mal „so nebenbei“ erledigt werden kann.
Marta im Gespräch mit zwei Elektrikern über Schwierigkeiten bei der Verlegung von Kabeln
Um Marta bei der immer größer werdenden administrativen Aufgaben zu unterstützen, hat Guido die Rechner auf den aktuellen Stand gebracht., die dafür zur Verfügung stehen. Marta und Rafaelle wurden für ihre Aufgaben geschult. Daneben gibt es weitere größere und kleinere Aufgaben, wie z.B. die Instandsetzung beschädigter Spielgeräte.
Ein Lichtblick ist, dass sich unvermittelt die Gelegenheit bietet, ein Teil des brachliegenden Nachbargrundstückes zu erwerben. Marta will diese Gelegenheit nutzen und auf der gewonnenen Fläche unter anderem den Waschplatz der KiTa einrichten.
Die Hälfte des unbebauten Nachbargrundstücks wurde Marta nun zum Kauf angeboten.Der Bereich zum Wäsche Waschen und Trocknen könnte dorthin verlegt werden, um den Innenhof der KiTa komplett für die Kinder nutzen zu können.
An Kreativität und Phantasie herrscht glücklicherweise kein Mangel! Obwohl mit dem Ganztagesbetriebs der Casa Antonita die Grundlage entzogen wurde, ist sie weiterhin genutzt. Sie ist nun ein „Secondhand-Shop“ für Kleidung und vieles anderes, der zweimal in der Woche geöffnet ist. Paula, eine der Küchenhilfen, hat das zu ihrer Aufgabe gemacht. Dazu hat sie im Garten Beete mit Kräutern angelegt. Auch der vor Jahren von Freiwilligen gepflanzte Orangenbaum gedeiht prächtig.
Das Gebäude „Antonita“ wird nun als Basar für gebrauchte Kleidung genutzt. Es ist an einigen Wochentagen vormittags geöffnet. Paula verkauft Schuhe und Kleidung zu geringen Preisen an Bewohner Sobradinhos. Paula und Marta (Jochen im Hintergrund) mit den gebrauchten Kleidungsstücken.Obstbäume im Hinterhof der Casa Antonita
Für dieses Thema und den Beitrag darüber gilt mehr als für alle anderen: Er ist eine „Baustelle“
Guido nahm schon an einer Reihe von Terminen teil um das Treffen vorzubereiten, das die unten stehenden Bilder zeigen. Es begann mit einem Treffen mit Janduir, der für die Firma SAJUC Buchhalter ist und der Martha unterstützt. Er kennt die politischen und finanziellen Verhältnisse der Kommune Sobradinho recht gut. Danach lernten Guido und ich das Anwaltspaar Kathleen und André kennen, mit dem ein langer intensiver Austausch erfolgte. Kurzfristig – das heißt innerhalb von zwei Tagen – laden Marta und ihre Mitstreiterin Hildonay drei Stadträte zu einem Gespräch ein. Tatsächlich kommen alle drei am übernächsten Abend in die KiTa. Sie zeigen sich Gente Valente gegenüber sehr wohlgesonnen, halten es aber für ausgeschlossen, ohne das Wohlwollen und die Mitwirkung des Präfekten einen Beschluss des Stadtrates zur Sicherung der KiTa herbei zu führen. Am nächsten Tag kam es schließlich auch zu einem Besuch des Präfekten, der bevorzugt das Mittagessen mit in seine Besuche integriert. Wie Marta es schon kommen sah, trifft er mit über einstündiger Verspätung – in Begleitung seiner gesamten Entourage – ein, aber gerade noch rechtzeitig zum Mittagessen. Für die Verspätung entschuldigte er sich wortreich… Marta spielt dieses Spiel mit und eine Gruppe Kinder heißen den Präfekten mit Frau und „Hofstaat“ durch ein Lied willkommen. Beim Essen wird viel erzählt und es werden Höflichkeiten ausgetauscht. Nachdem sich der Präfekt durch Gente Valente führen ließ und ein „Bad“ in der Menge der Kleinkinder genommen hat, kommt es dann „zu Sache“. Neben ihm sind zwei Stadträte anwesend, die am Abend vorher schon dabei waren. Sie sollen dem Präfekten zeigen, dass das Stadtparlament hinter dem Anliegen von Gente Valente steht. An einem der folgenden Tage besuchten wir eine Sitzung des Stadtrats und bekamen einen Eindruck von den Abläufen dort (siehe letztes Bild).
Nach überschwänglich lobenden und vielversprechenden Einleitungen beim Essen ist dann die spätere Diskussion mit dem Präfekten über die Absicherung der Gehälter für die Kindertagesstätte doch erstaunlich kontrovers. Er will sich nicht festlegen und weist auf gesetzliche und finanzielle Einschränkungen hin, die er zuerst gründlich prüfen müsse. Mit den zwei anwesenden Stadträten gibt es am Ende sogar einen kleinen Streit darüber, ob ein kommender Präfekt einen Beschluss des Stadtrates leicht wieder rückgängig machen könne.
Die gesamte ausführliche Diskussion hier wiederzugeben, sehe ich mich nicht in der Lage. Klar wird, dass der Präfekt „sich ziert“, eine feste Zusage zur dauerhaften Finanzierung von GV zu machen. Er wird nicht müde, einen anderen Plan in den Vordergrund zu stellen: Er lässt die vor über 10 Jahren von einem anderen Präfekten mit Geldern aus Brasilia begonnene Kinderkrippe fertig bauen und möchte Marta als Direktorin dafür gewinnen. Marta lässt es nicht an Deutlichkeit vermissen, dass sie dafür nicht zur Verfügung steht. Eine Einrichtung zu leiten, die der politischen Einflussnahme und dem „Verschenken“ von Arbeitsstellen an politische Unterstützer ausgeliefert ist, kommt für sie nicht in Frage. Die engagierte Zuwendung zu den Kindern ist für sie nur im geschützten Rahmen der freien Trägerschaft von Gente Valente denkbar. Der Präfekt „überhört“ das und lässt sogar streuen, Marta stünde für die Leitung der neuen Einrichtung zur Verfügung.
Eine Woche später bei einer Besichtigung des fortgeschrittenen Neubaus der neuen Kinderkrippe versucht der Präfekt Marta und auch uns als Vertreter der Globalen Nachbarschaft mit dem Baufortschritt zu beeindrucken. In der Tat ist der Neubau in seiner Anlage gewinnend. Eine junge Ingenieurin und Bauleiterin führt alle versammelten durch das Haus, in dem es kaum an etwas fehlen wird. In wenigen Monaten soll alles fertig sein: 8 Räume für die Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren und 2 Räume für die „Kleinsten“ ab 6 Monaten. Ausstattung, Klimatisierung etc. sind top. Der Präfekt vergisst nicht, mehrfach zu betonen, wie viele Mittel „er“ da hinein steckt. Marta ist auch bei diesem Termin klar: Die Auswahl der Erzieherinnen obliegen hier der politischen Opportunität und weniger – oder gar nicht – der pädagogischen Qualifikation, geschweige denn der Liebe zu den Kindern. Dass diese Sicht nicht „weit hergeholt“ ist, bestätigen Präfekt und Stadträte selbst. Sie beklagen sich in informellen Gesprächen, dass sie sich nun – ein halbes Jahr nach den Wahlen – Forderungen ihrer Wähler nach diesen und jenen Gefälligkeiten ausgesetzt sehen. Gefälligkeiten bedeuten „hier ein Posten und dort eine Vergünstigung“.
Mittagessen mit dem Präfekten Cleivynho (Mitte)Fototermin in der Kinderkrippe mit dem „Haus und Hof-Fotografen“ der Präfektur.Diskussionsrunde mit dem Präfekten (rotes T-Shirt), der „ersten Dame“ links neben ihm und zwei Mitgliedern des Stadtrates (die nächsten nach links) und dem Vize-Präfekten.Freundlicher Abschluss einer kontroversen Runde.Besuch bei einer Sitzung des Stadtrates, in der sieben der neuen Mitglieder anwesend waren.
Schon für einem Ausflug in der ersten Woche wurde die Idee geboren, den fast immer wolkenlosen Himmel und die recht große Dunkelheit für dir Betrachtung des Sternenhimmels zu nutzen. Christiane, deren Hobby das einmal war, hat noch ein altes Teleskop, das Guido dafür wieder „fit macht“. Es stellt sich allerdings heraus, dass es mit der Dunkelheit nicht mehr so weit her ist. Überall, wo Menschen sind, ist auch elektrisches Licht… So ist der erste Versuch nicht so erfolgreich.
In dieser 3. Woche unseres Aufenthaltes macht Martha mit Guido und mir einen Ausflug „in’s Grüne“. Wir sind bei Freunden von Martha eingeladen, die so eine dreiviertel Autostunde außerhalb von Sobradinho wohnen. Der Ort Trarias liegt am Rande eines Höhenzuges, der hier einen kleinen Durchbruch hat. Dort legte man zwei kleine Seen an, die dem winzigen Ort mit wenigen Familien das Leben ermöglicht.
Marta und Jochen in den Felsen von Trairas
Hier treffen wir noch auf eine Form der Subsistenzwirtschaft, die es auch dort nicht mehr lange geben wird! Für Martha ist es eine Erinnerung an ihre Kindheit. Wir wandern ein Stück in den Höhenzug hinein zu der Staumauer, die die beiden erwähnten Seen trennt. Wir warten auch auf die Dunkelheit, die hier noch diesen Namen verdient. Und tatsächlich bietet sich bald trotz des recht hellen Halbmondes ein beeindruckendes Sternenbild, dass ich sehr lange – wenn überhaupt – nicht in Natur gesehen habe. Später positioniert Guido das Teleskop entsprechend. Unsere Gastgeber und wir können in beeindruckender Schärfe die Mondoberfläche mit ihren Kratern betrachten.
Auch auf der Rückfahrt – Guido und ich sitzen auf der Ladefläche des Pickups, Gitarre, Teleskop und Stativ sind die „Beifahrer“ – spannt sich ein sternenübersäter Himmel über uns. Vielleicht zum ersten Mal wird Kants Satz sinnlich nachvollziehbar: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“
Nach der späten Ankunft in Salvador und einer Nacht in der Nähe des Flughafens geht es am nächsten Tag zum Busbahnhof und von dort weiter nach Juazeiro.
Hier einige Impressionen der Fahrt:
Die Wohntürme der Mittelschicht in Salvador da BahiaStadtviertel der einfachen Leute.Zwischen Salvador und Feira de Santana ist die Bundesstraße noch vierspurig ausgebaut.
Diesen Montag haben wir für den Besuch der EFAS reserviert. Wir brechen recht früh auf, um der Hitze soweit es möglich ist, zu entgehen. Guido ist recht begeistert, dass die Straße, die hinaus zur EFAS führt, inzwischen nach vielen Jahren asphaltiert ist. So kommen wir nach einer knappen halben Stunde dort an.
Die neu asphaltierte Straße, die an der EFAS vorbei führt, wurde durch den nur in der Regenzeit vorhandenen Fluss Tatauí schon zweimal so unterspült, dass die teilweise unpassierbar war.
Bis der Schulleiter, Bruno Silva, eintreffen wird, dauert es noch recht lange. So nehmen uns Ianca und Maicon in Empfang, Schülerin und Schüler der Oberstufe. Sie werden in den kommenden mehr als zwei Stunden mit großer Liebe zum Detail und Engagement die Schule in ihren vielen baulichen und organisatorischen Facetten schildern.
Anbau von Futterpflanzen, die natürlich in der Caatinga vorkommen.
Die Schule wurde und wird immer weiter aus- und – im Wortsinne – aufgebaut. Es gibt inzwischen mehrere zweigeschossige Bauten. Ianca und Maicon schildern die verschiedenen Formen des Anbaus von Früchten, Gemüsen und Kräutern und deren Bewässerungsarten.
Als schließlich Bruno eintrifft, zeigt er uns das neueste Projekt, die Honiggewinnung. Das Bundesland Bahia hat Bau und Ausstattung im Rahmen eines landesweiten Projekts realisiert. Vereinigungen von Kleinbauern könnten ein solches Projekt ebenfalls beantragen. In einem eigenen nagelneuen Gebäude zwischen den Feldern haben sie verschiedene Räume zum Schleudern der Waben und weiterer Arbeitsschritte zur Vor- und Nachbereitung der Honigernte und des Abfüllens. Dabei müssen sehr strenge Hygieneauflagen erfüllt werden. Alles das ist gegeben, sodass die Schule ein entsprechendes Zertifikat für biologisch gewonnen Honig erhielt. Erscheint das Ganze erst einmal etwas überdimensioniert, hofft die Schule, mittel- und langfristig die Zahl der Bienenvölker erhöhen zu können. So erlernen die Schüler und Schülerinnen auch an einem Beispiel die betriebswirtschaftliche Kalkulation von landwirtschaftlichen Unternehmungen.
Der Direktor Bruno zeigt uns den Prozess der Honig-Ernte im neu errichteten „Honig-Haus“
Im Anschluss an die sehr ausführliche Führung nimmt sich Bruno Silva Zeit für ein Gespräch mit Guido und mir. Er hat dafür offensichtlich im „Schularchiv“ gegraben. Er fand ein altes Konzept/Curriculum für die Schule. Es wurde, wie Bruno feststellt, wohl noch mit einer Schreibmaschine erstellt und mit Alkohol-Matrizen vervielfältigt. Auch eine Reihe von genauso alten Bildern fanden sich wohl dort. Anhand dieser alten Dokumente erläutert Guido die Geschichte der Schule und der Zusammenarbeit mit Unterstützergruppen in Deutschland. Bruno ist seit 2022 an der Schule und wurde ein Jahr später Schulleiter. Es tritt deutlich zu Tage: Diese EFAS ist personell, organisatorisch und sachlich etwas völlig Neues im Vergleich zur Gründungszeit in den 90er Jahren. Sie hat wenig mit der Einrichtung zu tun, die einige aus den Zeiten vor 20 Jahren und mehr kennen! Gleichwohl ist eine neue Zusammenarbeit möglich und gewünscht. Erste Ideen dazu werden in diesem Gespräch entwickelt: Bruno Silva stellt fest: die Bezahlung des Personals, der Lehrmittel und der Schulspeisung ist durch das Bundesland Bahia sichergestellt. Hinsichtlich der Bauten, des Transports und der Landwirtschaft ist die Schule auf eigene Initiative und Mittel angewiesen. Angesichts des großen Zuspruchs der Schule besteht der Bedarf, zwei weitere Klassenräume zu schaffen. Eine interessante Anmerkung: Unter den zur Zeit unseres Besuches anwesenden Schülerinnen und Schülern ist nur einer(!) aus Sobradinho! Alle anderen kommen aus zum Teil hunderte Kilometer entfernten Orten!
Blick vom Obergeschoss des neuen Wohntraktes, mit dem die Kapazität der Schule auf insgesamt zehn Lerngruppen erweitert wird. Im Hintergrund ist eine Plantage mit Mango-Bäumen zu sehen.