„Der Präfekt und Gente Valente“

Für dieses Thema und den Beitrag darüber gilt mehr als für alle anderen: Er ist eine „Baustelle“

Guido nahm schon an einer Reihe von Terminen teil um das Treffen vorzubereiten, das die unten stehenden Bilder zeigen. 
Es begann mit einem Treffen mit dem „Buchhalter“, der Martha unterstützt.
Danach lernten Guido und ich das Anwaltspaar kennen, mit dem ein langer intensiver Austausch erfolgte. Schließlich fand der Besuch des Präfekten statt.

Wie Martha es schon kommen sah, kommt er pünktlich zum Mittagessen mit seiner gesamten Entourage. Pünktlich ist da allerdings ein sehr relativer Begriff, für die einstündige Verspätung entschuldigte er sich wortreich… Martha spielt dieses Spiel mit und eine Gruppe Kinder heißen den Präfekten mit Frau und „Hofstaat“ willkommen. Beim Essen wird viel erzählt und es werden Höflichkeiten ausgetauscht.
Nachdem sich der Präfekt durch GV führen ließ´, kommt es dann „zu Sache“.
Neben ihm sind zwei Stadtverordnete anwesend. Neben dem Präfekten gilt es auch das Stadtparlament zu gewinnen, das wir an einem der folgenden Tagen besuchten (siehe letztes Bild).
Die gesamte ausführliche Diskussion hier zusammenzufassen sehe ich mich nicht in der Lage. Klar wird, dass der Präfekt „sich ziert“, eine feste Zusage zur dauerhaften Finanzierung von GV zu machen. Er wird nicht müde, seinen Plan zu vertreten: Er lässt die vor über 10 Jahren von einem anderen Präfekten begonnene Vorschule fertig bauen und möchte Martha als Leiterin gewinnen.
Martha lässt es nicht an Deutlichkeit vermissen dass sie dafür nicht zur Verfügung steht.
Der Präfekt „überhört“ das und lässt sogar streuen, Martha stünde für die Leitung zur Verfügung.

Bei einem weiteren Termin in der neuen Vorschule versucht der Präfekt Martha und auch uns als Vertreter der GN mit dem Baufortschritt zu beeindrucken. In der Tat ist der Neubau in seiner Anlage gewinnend. Eine junge Ingenieurin und Bauleiterin führt alle versammelten durch das Haus, in dem es kaum an etwas fehlen wird. In wenigen Monaten soll alles fertig sein: 8 Räume für die Kinder ab 3 Jahren und 2 für die „Kleinsten“. Ausstattung, Klimatisierung etc. sind top. Der Präfekt vergisst nicht mehrfach zu betonen, wie viele Mittel „er“ da hinein steckt..
Martha ist auch bei diesem Termin klar: Die Auswahl der Erzieherinnen obliegen hier politischen Opportunitäten und weniger – oder gar nicht – der pädagogischen Qualifikation geschweige denn der Liebe zu den Kindern.
Dass diese Sicht nicht „weit hergeholt“ ist, bestätigen Präfekt und Stadträte selbst. Sie beklagen sich in informellen Gesprächen, dass sie nun ein halbes Jahr nach den Wahlen Forderungen ihrer Wähler nach diesen und jenen Gefälligkeiten ausgesetzt sehen. Gefälligkeiten bedeuten „hier ein Posten und dort eine Vergünstigung“.

Sternenkundliches Zwischenspiel

Schon für einem Ausflug in der ersten Woche wurde die Idee geboren, den fast immer wolkenlosen Himmel und die recht große Dunkelheit für dir Betrachtung des Sternenhimmels zu nutzen. Christiane, deren Hobby das einmal war, hat noch ein altes Teleskop, das Guido dafür wieder „fit macht“.
Es stellt sich allerdings heraus, dass es mit der Dunkelheit nicht mehr so weit her ist. Überall, wo Menschen sind, ist auch elektrisches Licht… So ist der erste Versuch nicht so erfolgreich.

In dieser 3. Woche unseres Aufenthaltes macht Martha mit Guido und mir einen Ausflug „in’s Grüne“. Wir sind bei Freunden von Martha eingeladen, die so eine dreiviertel Autostunde außerhalb von Sobradinho wohnen. Der Ort Trarias liegt am Rande eines Höhenzuges, der hier einen kleinen Durchbruch hat. Dort legte man zwei kleine Seen an, die dem winzigen Ort mit wenigen Familien das Leben ermöglicht. 

Marta und Jochen in den Felsen von Trairas

Hier treffen wir noch auf eine Form der Subsistenzwirtschaft, die es auch dort nicht mehr lange geben wird! Für Martha ist es eine Erinnerung an ihre Kindheit.
Wir wandern ein Stück in den Höhenzug hinein zu der Staumauer, die die beiden erwähnten Seen trennt. 
Wir warten auch auf die Dunkelheit, die hier noch diesen Namen verdient. Und tatsächlich bietet sich bald trotz des recht hellen Halbmondes ein beeindruckendes Sternenbild, dass ich sehr lange – wenn überhaupt – nicht in Natur gesehen habe. 
Später positioniert Guido das Teleskop entsprechend. Unsere Gastgeber und wir können in beeindruckender Schärfe die Mondoberfläche mit ihren Kratern betrachten.

Auch auf der Rückfahrt – Guido und ich sitzen auf der Ladefläche des Pickups, Gitarre, Teleskop und Stativ sind die „Beifahrer“ – spannt sich ein sternenübersäter Himmel über uns.
Vielleicht zum ersten Mal wird Kants Satz sinnlich nachvollziehbar:
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“

Fahrt nach Sobradinho

Nach der späten Ankunft in Salvador und einer Nacht in der Nähe des Flughafens geht es am nächsten Tag zum Busbahnhof und von dort weiter nach Juazeiro.

Hier einige Impressionen der Fahrt:

Die Wohntürme der Mittelschicht in Salvador da Bahia
Stadtviertel der einfachen Leute.
Zwischen Salvador und Feira de Santana ist die Bundesstraße noch vierspurig ausgebaut.

Straßenhändlerinnen bei jedem Ampelstopp

Es wird trockener…

Besuch der EFAS

Diesen Montag haben wir für den Besuch der EFAS reserviert. Wir brechen recht früh auf, um der Hitze soweit es möglich ist, zu entgehen.
Guido ist recht begeistert, dass die Straße, die hinaus zur EFAS führt, inzwischen nach vielen Jahren asphaltiert ist. So kommen wir nach einer knappen halben Stunde dort an.

Bis der Schulleiter, Bruno Silva, eintreffen wird, dauert es noch recht lange. So nehmen uns Ianca und Maicon in Empfang, Schülerin und Schüler der Oberstufe. Sie werden in den kommenden mehr als zwei Stunden mit großer Liebe zum Detail und Engagement die Schule in ihren vielen baulichen und organisatorischen Facetten schildern.

Die Schule wurde und wird immer weiter aus- und – im Wortsinne – aufgebaut. Es gibt inzwischen mehrere zweigeschossige Bauten. 
Ianca und Maicon schildern die verschiedenen Formen des Anbaus von Früchten, Gemüsen und Kräutern und deren Bewässerungsarten.

Als schließlich Bruno eintrifft, zeigt er uns das neueste Projekt, die Honiggewinnung. Das Bundesland Bahia hat Bau und Ausstattung im Rahmen eines landesweiten Projekts realisiert. Vereinigungen von Kleinbauern könnten ein solches Projekt ebenfalls beantragen. In einem eigenen nagelneuen Gebäude zwischen den Feldern haben sie verschiedene Räume zum Schleudern der Waben und weiterer Arbeitsschritte zur Vor- und Nachbereitung der Honigernte und des Abfüllens. Dabei müssen sehr strenge Hygieneauflagen erfüllt werden. Alles das ist gegeben, sodass die Schule ein entsprechendes Zertifikat für biologisch gewonnen Honig erhielt. Erscheint das Ganze erst einmal etwas überdimensioniert, hofft die Schule, mittel- und langfristig die Zahl der Bienenvölker erhöhen zu können. So erlernen die Schüler und Schülerinnen auch an einem Beispiel die betriebswirtschaftliche Kalkulation von landwirtschaftlichen Unternehmungen.

Der Direktor Bruno zeigt uns den Prozess der Honig-Ernte im neu errichteten „Honig-Haus“

Im  Anschluss an die sehr ausführliche Führung nimmt sich Bruno Silva Zeit für ein Gespräch mit Guido und mir. Er hat dafür offensichtlich im „Schularchiv“ gegraben. Er fand ein altes Konzept/Curriculum für die Schule. Es wurde, wie Bruno feststellt, wohl noch mit einer Schreibmaschine erstellt und mit Alkohol-Matrizen vervielfältigt. Auch eine Reihe von genauso alten Bildern fanden sich wohl dort. Anhand dieser alten Dokumente erläutert Guido die Geschichte der Schule und der Zusammenarbeit mit Unterstützergruppen in Deutschland.
Bruno ist seit 2022 an der Schule und wurde ein Jahr später Schulleiter. Es tritt deutlich zu Tage: Diese EFAS ist personell, organisatorisch und sachlich etwas völlig Neues im Vergleich zur Gründungszeit in den 90er Jahren.
Sie hat wenig mit der Einrichtung zu tun, die einige aus den Zeiten vor 20 Jahren und mehr kennen! Gleichwohl ist eine neue Zusammenarbeit möglich und gewünscht.
Erste Ideen dazu werden in diesem Gespräch entwickelt: 
Bruno Silva stellt fest: die Bezahlung des Personals, der Lehrmittel und der Schulspeisung ist durch das Bundesland Bahia sichergestellt. Hinsichtlich der Bauten, des Transports und der Landwirtschaft ist die Schule auf eigene Initiative und Mittel angewiesen. Angesichts des großen Zuspruchs der Schule besteht der Bedarf, zwei weitere Klassenräume zu schaffen. 
Eine interessante Anmerkung: Unter den zur Zeit unseres Besuches anwesenden Schülerinnen und Schülern ist nur einer(!) aus Sobradinho! Alle anderen kommen aus zum Teil hunderte Kilometer entfernten Orten!

Blick vom Obergeschoss des neuen Wohntraktes, mit dem die Kapazität der Schule auf insgesamt zehn Lerngruppen erweitert wird.