Was wird weiter aus Gente Valente (und Casa Antonita)

Wie schon in dem Beitrag über den Präfekten angerissen, hat die Kommune und vor allem der Präfekt wenig Interesse, die Finanzierung von GV auf eine dauerhafte und von Entscheidungen einzelner Personen in der kommunalen Verwaltung unabhängige Basis zu stellen.
Daher sollten wir als GN davon ausgehen, dass es bis auf Weiteres bei dem Status quo bleibt.

Ohnehin sind die Kräfte von Marta und ihrem Team z.Zt. stark von dem aktuellen Projekt in Anspruch genommen: Die Erneuerung der Elektroinstallationen während des laufenden Betriebes ist eine Herausforderung, die nicht ‚mal „so nebenbei“ erledigt werden kann.

Marta im Gespräch mit zwei Elektrikern über Schwierigkeiten bei der Verlegung von Kabeln

Um Marta bei der immer größer werdenden administrativen Aufgaben zu unterstützen, hat Guido die Rechner auf den aktuellen Stand gebracht., die dafür zur Verfügung stehen.
Marta und Rafaelle wurden für ihre Aufgaben geschult.
Daneben gibt es weitere größere und kleinere Aufgaben, wie z.B. die Instandsetzung beschädigter Spielgeräte.

Ein Lichtblick ist, dass sich unvermittelt die Gelegenheit bietet, ein Teil des brachliegenden Nachbargrundstückes zu erwerben. Marta will diese Gelegenheit nutzen und auf der gewonnenen Fläche unter anderem den Waschplatz der KiTa einrichten.

Die Hälfte des unbebauten Nachbargrundstücks wurde Marta nun zum Kauf angeboten.
Der Bereich zum Wäsche Waschen und Trocknen könnte dorthin verlegt werden, um den Innenhof der KiTa komplett für die Kinder nutzen zu können.

An Kreativität und Phantasie herrscht glücklicherweise kein Mangel!
Obwohl mit dem Ganztagesbetriebs der Casa Antonita die Grundlage entzogen wurde, ist sie weiterhin genutzt. Sie ist nun ein „Secondhand-Shop“ für Kleidung und vieles anderes, der zweimal in der Woche geöffnet ist.
Paula, eine der Küchenhilfen, hat das zu ihrer Aufgabe gemacht.
Dazu hat sie im Garten Beete mit Kräutern angelegt.
Auch der vor Jahren von Freiwilligen gepflanzte Orangenbaum gedeiht prächtig.

Das Gebäude „Antonita“ wird nun als Basar für gebrauchte Kleidung genutzt. Es ist an einigen Wochentagen vormittags geöffnet. Paula verkauft Schuhe und Kleidung zu geringen Preisen an Bewohner Sobradinhos.
Paula und Marta (Jochen im Hintergrund) mit den gebrauchten Kleidungsstücken.
Obstbäume im Hinterhof der Casa Antonita

„Der Präfekt und Gente Valente“

Für dieses Thema und den Beitrag darüber gilt mehr als für alle anderen: Er ist eine „Baustelle“

Guido nahm schon an einer Reihe von Terminen teil um das Treffen vorzubereiten, das die unten stehenden Bilder zeigen. 
Es begann mit einem Treffen mit Janduir, der für die Firma SAJUC Buchhalter ist und der Martha unterstützt. Er kennt die politischen und finanziellen Verhältnisse der Kommune Sobradinho recht gut.
Danach lernten Guido und ich das Anwaltspaar Kathleen und André kennen, mit dem ein langer intensiver Austausch erfolgte. Kurzfristig – das heißt innerhalb von zwei Tagen – laden Marta und ihre Mitstreiterin Hildonay drei Stadträte zu einem Gespräch ein. Tatsächlich kommen alle drei am übernächsten Abend in die KiTa. Sie zeigen sich Gente Valente gegenüber sehr wohlgesonnen, halten es aber für ausgeschlossen, ohne das Wohlwollen und die Mitwirkung des Präfekten einen Beschluss des Stadtrates zur Sicherung der KiTa herbei zu führen. Am nächsten Tag kam es schließlich auch zu einem Besuch des Präfekten, der bevorzugt das Mittagessen mit in seine Besuche integriert.
Wie Marta es schon kommen sah, trifft er mit über einstündiger Verspätung – in Begleitung seiner gesamten Entourage – ein, aber gerade noch rechtzeitig zum Mittagessen. Für die Verspätung entschuldigte er sich wortreich… Marta spielt dieses Spiel mit und eine Gruppe Kinder heißen den Präfekten mit Frau und „Hofstaat“ durch ein Lied willkommen. Beim Essen wird viel erzählt und es werden Höflichkeiten ausgetauscht.
Nachdem sich der Präfekt durch Gente Valente führen ließ und ein „Bad“ in der Menge der Kleinkinder genommen hat, kommt es dann „zu Sache“. Neben ihm sind zwei Stadträte anwesend, die am Abend vorher schon dabei waren. Sie sollen dem Präfekten zeigen, dass das Stadtparlament hinter dem Anliegen von Gente Valente steht. An einem der folgenden Tage besuchten wir eine Sitzung des Stadtrats und bekamen einen Eindruck von den Abläufen dort (siehe letztes Bild).

Nach überschwänglich lobenden und vielversprechenden Einleitungen beim Essen ist dann die spätere Diskussion mit dem Präfekten über die Absicherung der Gehälter für die Kindertagesstätte doch erstaunlich kontrovers. Er will sich nicht festlegen und weist auf gesetzliche und finanzielle Einschränkungen hin, die er zuerst gründlich prüfen müsse. Mit den zwei anwesenden Stadträten gibt es am Ende sogar einen kleinen Streit darüber, ob ein kommender Präfekt einen Beschluss des Stadtrates leicht wieder rückgängig machen könne.

Die gesamte ausführliche Diskussion hier wiederzugeben, sehe ich mich nicht in der Lage. Klar wird, dass der Präfekt „sich ziert“, eine feste Zusage zur dauerhaften Finanzierung von GV zu machen. Er wird nicht müde, einen anderen Plan in den Vordergrund zu stellen: Er lässt die vor über 10 Jahren von einem anderen Präfekten mit Geldern aus Brasilia begonnene Kinderkrippe fertig bauen und möchte Marta als Direktorin dafür gewinnen.
Marta lässt es nicht an Deutlichkeit vermissen, dass sie dafür nicht zur Verfügung steht. Eine Einrichtung zu leiten, die der politischen Einflussnahme und dem „Verschenken“ von Arbeitsstellen an politische Unterstützer ausgeliefert ist, kommt für sie nicht in Frage. Die engagierte Zuwendung zu den Kindern ist für sie nur im geschützten Rahmen der freien Trägerschaft von Gente Valente denkbar. Der Präfekt „überhört“ das und lässt sogar streuen, Marta stünde für die Leitung der neuen Einrichtung zur Verfügung.

Eine Woche später bei einer Besichtigung des fortgeschrittenen Neubaus der neuen Kinderkrippe versucht der Präfekt Marta und auch uns als Vertreter der Globalen Nachbarschaft mit dem Baufortschritt zu beeindrucken. In der Tat ist der Neubau in seiner Anlage gewinnend. Eine junge Ingenieurin und Bauleiterin führt alle versammelten durch das Haus, in dem es kaum an etwas fehlen wird. In wenigen Monaten soll alles fertig sein: 8 Räume für die Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren und 2 Räume für die „Kleinsten“ ab 6 Monaten. Ausstattung, Klimatisierung etc. sind top. Der Präfekt vergisst nicht, mehrfach zu betonen, wie viele Mittel „er“ da hinein steckt.
Marta ist auch bei diesem Termin klar: Die Auswahl der Erzieherinnen obliegen hier der politischen Opportunität und weniger – oder gar nicht – der pädagogischen Qualifikation, geschweige denn der Liebe zu den Kindern.
Dass diese Sicht nicht „weit hergeholt“ ist, bestätigen Präfekt und Stadträte selbst. Sie beklagen sich in informellen Gesprächen, dass sie sich nun – ein halbes Jahr nach den Wahlen – Forderungen ihrer Wähler nach diesen und jenen Gefälligkeiten ausgesetzt sehen. Gefälligkeiten bedeuten „hier ein Posten und dort eine Vergünstigung“.

Mittagessen mit dem Präfekten Cleivynho (Mitte)
Fototermin in der Kinderkrippe mit dem „Haus und Hof-Fotografen“ der Präfektur.
Diskussionsrunde mit dem Präfekten (rotes T-Shirt), der „ersten Dame“ links neben ihm und zwei Mitgliedern des Stadtrates (die nächsten nach links) und dem Vize-Präfekten.
Freundlicher Abschluss einer kontroversen Runde.
Besuch bei einer Sitzung des Stadtrates, in der sieben der neuen Mitglieder anwesend waren.

Sternenkundliches Zwischenspiel

Schon für einem Ausflug in der ersten Woche wurde die Idee geboren, den fast immer wolkenlosen Himmel und die recht große Dunkelheit für dir Betrachtung des Sternenhimmels zu nutzen. Christiane, deren Hobby das einmal war, hat noch ein altes Teleskop, das Guido dafür wieder „fit macht“.
Es stellt sich allerdings heraus, dass es mit der Dunkelheit nicht mehr so weit her ist. Überall, wo Menschen sind, ist auch elektrisches Licht… So ist der erste Versuch nicht so erfolgreich.

In dieser 3. Woche unseres Aufenthaltes macht Martha mit Guido und mir einen Ausflug „in’s Grüne“. Wir sind bei Freunden von Martha eingeladen, die so eine dreiviertel Autostunde außerhalb von Sobradinho wohnen. Der Ort Trarias liegt am Rande eines Höhenzuges, der hier einen kleinen Durchbruch hat. Dort legte man zwei kleine Seen an, die dem winzigen Ort mit wenigen Familien das Leben ermöglicht. 

Marta und Jochen in den Felsen von Trairas

Hier treffen wir noch auf eine Form der Subsistenzwirtschaft, die es auch dort nicht mehr lange geben wird! Für Martha ist es eine Erinnerung an ihre Kindheit.
Wir wandern ein Stück in den Höhenzug hinein zu der Staumauer, die die beiden erwähnten Seen trennt. 
Wir warten auch auf die Dunkelheit, die hier noch diesen Namen verdient. Und tatsächlich bietet sich bald trotz des recht hellen Halbmondes ein beeindruckendes Sternenbild, dass ich sehr lange – wenn überhaupt – nicht in Natur gesehen habe. 
Später positioniert Guido das Teleskop entsprechend. Unsere Gastgeber und wir können in beeindruckender Schärfe die Mondoberfläche mit ihren Kratern betrachten.

Auch auf der Rückfahrt – Guido und ich sitzen auf der Ladefläche des Pickups, Gitarre, Teleskop und Stativ sind die „Beifahrer“ – spannt sich ein sternenübersäter Himmel über uns.
Vielleicht zum ersten Mal wird Kants Satz sinnlich nachvollziehbar:
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“

Fahrt nach Sobradinho

Nach der späten Ankunft in Salvador und einer Nacht in der Nähe des Flughafens geht es am nächsten Tag zum Busbahnhof und von dort weiter nach Juazeiro.

Hier einige Impressionen der Fahrt:

Die Wohntürme der Mittelschicht in Salvador da Bahia
Stadtviertel der einfachen Leute.
Zwischen Salvador und Feira de Santana ist die Bundesstraße noch vierspurig ausgebaut.

Straßenhändlerinnen bei jedem Ampelstopp

Es wird trockener…

Besuch der EFAS

Diesen Montag haben wir für den Besuch der EFAS reserviert. Wir brechen recht früh auf, um der Hitze soweit es möglich ist, zu entgehen.
Guido ist recht begeistert, dass die Straße, die hinaus zur EFAS führt, inzwischen nach vielen Jahren asphaltiert ist. So kommen wir nach einer knappen halben Stunde dort an.

Die neu asphaltierte Straße, die an der EFAS vorbei führt, wurde durch den nur in der Regenzeit vorhandenen Fluss Tatauí schon zweimal so unterspült, dass die teilweise unpassierbar war.

Bis der Schulleiter, Bruno Silva, eintreffen wird, dauert es noch recht lange. So nehmen uns Ianca und Maicon in Empfang, Schülerin und Schüler der Oberstufe. Sie werden in den kommenden mehr als zwei Stunden mit großer Liebe zum Detail und Engagement die Schule in ihren vielen baulichen und organisatorischen Facetten schildern.

Anbau von Futterpflanzen, die natürlich in der Caatinga vorkommen.

Die Schule wurde und wird immer weiter aus- und – im Wortsinne – aufgebaut. Es gibt inzwischen mehrere zweigeschossige Bauten. 
Ianca und Maicon schildern die verschiedenen Formen des Anbaus von Früchten, Gemüsen und Kräutern und deren Bewässerungsarten.

Als schließlich Bruno eintrifft, zeigt er uns das neueste Projekt, die Honiggewinnung. Das Bundesland Bahia hat Bau und Ausstattung im Rahmen eines landesweiten Projekts realisiert. Vereinigungen von Kleinbauern könnten ein solches Projekt ebenfalls beantragen. In einem eigenen nagelneuen Gebäude zwischen den Feldern haben sie verschiedene Räume zum Schleudern der Waben und weiterer Arbeitsschritte zur Vor- und Nachbereitung der Honigernte und des Abfüllens. Dabei müssen sehr strenge Hygieneauflagen erfüllt werden. Alles das ist gegeben, sodass die Schule ein entsprechendes Zertifikat für biologisch gewonnen Honig erhielt. Erscheint das Ganze erst einmal etwas überdimensioniert, hofft die Schule, mittel- und langfristig die Zahl der Bienenvölker erhöhen zu können. So erlernen die Schüler und Schülerinnen auch an einem Beispiel die betriebswirtschaftliche Kalkulation von landwirtschaftlichen Unternehmungen.

Der Direktor Bruno zeigt uns den Prozess der Honig-Ernte im neu errichteten „Honig-Haus“

Im  Anschluss an die sehr ausführliche Führung nimmt sich Bruno Silva Zeit für ein Gespräch mit Guido und mir. Er hat dafür offensichtlich im „Schularchiv“ gegraben. Er fand ein altes Konzept/Curriculum für die Schule. Es wurde, wie Bruno feststellt, wohl noch mit einer Schreibmaschine erstellt und mit Alkohol-Matrizen vervielfältigt. Auch eine Reihe von genauso alten Bildern fanden sich wohl dort. Anhand dieser alten Dokumente erläutert Guido die Geschichte der Schule und der Zusammenarbeit mit Unterstützergruppen in Deutschland.
Bruno ist seit 2022 an der Schule und wurde ein Jahr später Schulleiter. Es tritt deutlich zu Tage: Diese EFAS ist personell, organisatorisch und sachlich etwas völlig Neues im Vergleich zur Gründungszeit in den 90er Jahren.
Sie hat wenig mit der Einrichtung zu tun, die einige aus den Zeiten vor 20 Jahren und mehr kennen! Gleichwohl ist eine neue Zusammenarbeit möglich und gewünscht.
Erste Ideen dazu werden in diesem Gespräch entwickelt: 
Bruno Silva stellt fest: die Bezahlung des Personals, der Lehrmittel und der Schulspeisung ist durch das Bundesland Bahia sichergestellt. Hinsichtlich der Bauten, des Transports und der Landwirtschaft ist die Schule auf eigene Initiative und Mittel angewiesen. Angesichts des großen Zuspruchs der Schule besteht der Bedarf, zwei weitere Klassenräume zu schaffen. 
Eine interessante Anmerkung: Unter den zur Zeit unseres Besuches anwesenden Schülerinnen und Schülern ist nur einer(!) aus Sobradinho! Alle anderen kommen aus zum Teil hunderte Kilometer entfernten Orten!

Blick vom Obergeschoss des neuen Wohntraktes, mit dem die Kapazität der Schule auf insgesamt zehn Lerngruppen erweitert wird. Im Hintergrund ist eine Plantage mit Mango-Bäumen zu sehen.

Galerie: Der „Tag des Kindes“ in Gente Valente

Der internationale Tag des Kindes ist seit vielen Jahren ein besonderer Höhepunkt für die Kinder und Mitarbeiterinnen von Gente Valente. Ausgelassenes Spielen, Tanzen, Toben und einige Leckereien durchbrechen den Alltag der Kinder. Einige Frauen aus Sobradinho und aus den nahen Großstädten Juazeiro und Petrolina spenden seit Jahren immer wieder für die (gemietete) Ausstattung des Festes: Wasserrutsche, Fußball-Tobe-Burg mit Wasser, Spielgeräte, Zuckerwatte und eine riesige Torte, eingerahmt von der Deko mit Zeichentrick-Figuren aus dem brasilianischen Fernsehen. Die Lautstärke ist unbeschreiblich, aber es ist ein fröhlicher Lärm.

Besuche bei PACS und dem Bürgerradio

Sobradinho, 15.10.2023

Das „Projeto Sobradinho“

Auch heute stehen „alte Bekannte“ auf der Besuchsliste. Wir besuchen die Initiative PACS und das Bürgerradio.

Dass sich auf dem Grundstück der PACS etwas tut, sahen wir schon, als wir vor einigen Tagen mit unseren Fahrrädern vorbei fuhren. Nun haben wir die Möglichkeit, mit Cleiber, aktuell der Vorsitzende des Vereins, und anderen Mitarbeiter:innen zu sprechen. Die jüngeren Leute unter ihnen haben alle als Kinder und Jugendliche einige Zeit in dieser Einrichtung zugebracht.
Es ist inzwischen eine überwiegend ehrenamtliche Initiative, die am Wochenende eine Betreuung von Kindern und Jugendlichen anbietet. Gelegentlich stellt die Stadtverwaltung (Präfektur) einen Mitarbeiter für einen Kurs zu Verfügung, zur Zeit aber leider nicht. Wir sehen eine Nachhilfestunde in Mathematik und eine weitere kleine Gruppe, in der die 2. Stunde eines Flötenunterrichts stattfindet. Später gibt es noch Judoübungen. Alles läuft unter Anleitung von freiwilligen Mitarbeitenden.

Rund 50 Familien tragen die Arbeit hier; manche entsenden keine Kinder, sondern bewirtschaften eine Parzelle Gemeinschaftsgarten, der sich dem bebauten Teil anschließt. Die Parzellen stellt PACS kostenfrei zur Verfügung. Da Kleber Agronom ist, kann er den Familien Hinweise geben, wie der Anbau ertragreich und doch nachhaltig gelingt. Die gesamte Fläche, die PACS besitzt, ist recht groß, und ich frage mich, wie diese sinnvoll von dem kleinen Kreis von sechs Aktiven zu verwalten ist. Guido erklärt mir, dass in der ersten Phase des Projekts die „World Vision“ einen Stab von sieben Hauptamtlichen Kräften finanziert hat, um eine umfassende soziale Assistenz für die ärmsten Viertel („Quadras“) von Sobradinho aufzubauen. Nach mehreren Verlängerungen der ursprünglich auf fünf Jahre angelegten Förderung stellte die „World Vision“ ihre Finanzierung ein. Die Hoffnung, dass die Stadtverwaltung von Sobradinho dieses soziale Projekt übernehmen und weiter betreiben würde, hatte sich leider nicht erfüllt. Nun versuchen die ehrenamtlichen Kräfte ihr Mögliches.

Die Arbeiten bei der Einfriedung des Geländes in den letzten Wochen rühren auch daher, dass PACS von Einbrüchen betroffen war, die beträchtliche Vandalismusschäden hinterließen. Nach meinem Eindruck arbeitet die Initiative auf einem Niveau, bei dem wir, GN, hier mir recht geringen Mitteln schon Einges bewirken können. Konkret wäre die Erhöhung des Zaunes an den Längsseiten eines Sportplatzes hilfreich. Damit die Bälle nicht beim Nachbarn landen. Das führt nämlich immer mal wieder zu Auseinandersetzungen wegen kaputter Ziegel o.ä.

Das Bürgerradio

Ein weiterer Besuch steht an: Das Bürgerradio, dem wir zum Start beim Aufbau des Sendeturms geholfen haben. Sowohl Pedro, einer der Programm-Macher, als auch Renalice, die Vorsitzende des Trägervereins begrüßen Guido sehr herzlich und erzählen davon, was in den vergangenen Jahren geschah. Guido wird dann auch in einem Live-Interview im Radio-Programm zu der Situation der Schulen in Deutschland und seiner eigenen Tätigkeit befragt. Anschliessend schildert Renalice sehr ausführlich die rechtliche Situation des Trägervereins.
Angesichts der Pandemie und ihrer Folgen ist die materielle Situation natürlich nicht besser geworden. Da das Radio sich weitgehend selbst tragen soll, gibt es hier m.E. nur wenige Anknüpfungspunkte zur Zusammenarbeit. Um insbesondere die Folgen der Pandemie abzufedern, könnte GN hier über die eine oder andere Unterstützung nachdenken.

Mehr dazu im Beitrag zum Radio

Die soziale Wirklichkeit

Sobradinho, 10.10.2023

Diesen Tag beginnen wir recht früh in Gente Valente. Dort beginnt jeder Morgen mit einer Andacht für die Mitarbeiterinnen. Das Team von jeweils einer der verschiedenen Gruppen bereitet sie reihum vor.
Währenddessen trudeln die Kinder ein. Nicht jedem fällt es leicht, sich von der Mutter zu lösen. Aber allzu viel Zeit, dem Kind „über die Schwelle“ zu helfen, bleibt nicht. Dafür sind es schlicht zu viele Kinder. Ich stehe etwas unschlüssig herum. Christiane „schubst“ mich in einen der Gruppenräume und ich setze mich in den Kreis der Kinder. Das Mädchen, das neben mir sitzt, staunt mich an und nimmt die kommenden 10 Minuten nicht mehr den Blick von mir. Gebete und Lieder, begleitet von Bewegungen füllen die 20 Minuten bis zu einer ersten Mahlzeit. Es gibt Obst und einfache Kekse. Ich vermute für etliche der Kinder ist es wirklich die erste Mahlzeit.

In Brasilien liebt man nicht nur Uniformen, sondern auch Hymnen; und es gibt viele: für Brasilien, Bahia, Sobradinho, Kinder … So nehmen alle in dem großen Patio Aufstellung und es wird kräftig geschmettert. Aber man merkt, dass gerade die kleinsten, schnell müde werden oder es noch sind…

Besuch bei den „speziellen“ Kindern

Nach einem Zwischenstopp in der Casa Antonita fahren Guido und ich zu einer Betreuungseinrichtung für Menschen mit starken Einschränkungen, der APAE. Menschen mit Behinderung nennt man in Brasilien auch „pessoas especais“, spezielle Menschen. Guido wurde von einer Mitarbeiterin hierhin eingeladen. Die Einrichtung kooperiert in einigen Dingen mit der Kindertagesstätte Gente Valente. Einige Kinder von hier hat Gente Valente in der Corona-Zeit aufgenommen. Ein Mädchen wollte partout nicht mehr weg. Ein paar Mal im Jahr gibt es gegenseitige Besuche mit gemeinsamen Aktivitäten.

Mir verschlägt es erst einmal die Sprache. In einem Raum mit nacktem Betonfussboden treffen wir auf knapp 10 Personen. Ein Mann in einem Rollstuhl scheint nur aus Kopf und Rumpf zu bestehen. Eine junge Frau mit multiplen spastischen Lähmungen kniet/liegt auf dem Boden. Downsyndrom oder Mikrozephalie gehören zu den „leichteren“ Einschränkungen. Die Leiterin der Einrichtung berichtet von ihrer Arbeit. Ich zähle neben der Leiterin und einer Köchin 4 Mitarbeiterinnen. Dass es einen festen Mitarbeiterstamm hat, betont mit einem gewissen Stolz die Leiterin. Denn die Kommune versucht immer mal wieder, Leute, für die es keine Verwendung gibt, zu ihr „abzuschieben“. Doch ohne ein beträchtliches Engagement und Liebe für diese Menschen ist diese Arbeit in keiner Weise zu schaffen.

Neben dem erwähnten Raum gibt es drei weitere. Hier versuchen Sie eine elementare Bildung. Die Lernmittel stellen sie selbst mit Hilfe von Vorlagen aus dem Internet her. Vieles, was die Leiterin schildert, kennen wir von Marta. Auch hier kämpft ein freier Träger APAS mit der Kommune um die nötigen Mittel. Hinzu kommt, dass solche Entwicklungsstörungen in der Gesellschaft und auch in den betroffenenen Familien wenig Akzeptanz und Verständnis finden.

Am späten Abend wird noch einmal ausführlich mit dem Vorstand über die Stiftung FUNANB und deren Satzung gesprochen. Es ist eine Fortsetzung des Gesprächs der vergangenen Woche. Auch hier wird Guido noch ausführlich berichten.

Alltag in Sobradinho

Sobradinho, 04.10.2023

Diesen Tag verbringen Guido und ich damit, den Computerraum der Casa Antonita aufzuräumen und in einen arbeitsfähigen Zustand zu bringen. Ich verschone die Leser:innen (und mich) mit Schilderungen der Details. Wir verbringen einen ganzen Tag damit, um einen von ca. 10 Rechnern zu reanimieren und die von uns mitgebrachten bzw. den gestern erworbenen Rechner einzurichten. So können wir vier Computer einigermaßen funktionierend zurücklassen. Doch damit ist nur eine Voraussetzung für die Arbeit von Schülerinnen am Computer geschaffen. Eine erste elementare Einweisung der anwesenden Schülerinnen zeigt, dass die CA in dieser Arbeit wieder ganz am Anfang steht.

Mittwoch, 05.10.2023

Nachdem wir Restarbeiten im Computerraum erledigt und einfache Lernprogramme installiert haben, beginnen wir mit der „1. Stunde“. Wir sehen, dass erst einmal die Handhabung von Maus und Tastatur eingeübt werden müssen. Es wird sicher ein weiter Weg, doch es ist ein Interesse da und bei manchen auch eine rasche Auffassungsgabe. Ohnehin bleibt das Staunen über die Fremden aus dem fernen Land. Es ist bei den Teenagern nicht anders als bei den Grundschülern in der ersten Woche. Nicht nur diese erste Schulung sondern auch die übrige Arbeit der Casa Antonita wird am fortgeschrittenen Abend zum Thema.

Einsatz in Gente Valente

Dann ein typischer Einsatz fuer Marta: Sie bekommt einen Hinweis, dass sie eine Spende für ihre Einrichtungen bei der „banco dos alimentos“ abholen kann, einem Großmarkt. In der größten Hitze des Nachmittags 50 KM nach Petrolina zu fahren, ist kein Spass, zu mal wir vorgestern die Strecke schon genossen haben! Doch wenn man zweimal ein Angebot ausschlägt, „ist man raus“! Ich fahre mit, damit wir uns gegenseitig wach halten. Eimal mehr ist der Pickup von Nutzen. Genau tragt Marta die Daten in ein Fahrtenbuch ein.

Der Vorstand

Der gesamte Vorstand der Stiftung, die Gente Valente und Casa Antontita trägt und „Fundação Antonita Bandres“ heißt, trifft sich am Abend mit Guido und mir. Details der recht langen Sitzung wird Guido an anderem Ort berichten. Es wurde auch mir mit sehr begrenzten Sprachkenntnissen klar, dass viel im Umbruch ist. Die Zukunft von FUNAB bzw. Casa Antonita liegt im Dunklen, wie schon öfter.

Bei der Gelegenheit haben die Freunde Guido und mir Fahrräder zur Verfügung gestellt. So fahren wir die etwa 3 km vom Haus Cândidas, wo das Treffen stattfand, zurück zu Martas Haus. Man tut gut daran, auf schlafende Hunde zu achten – mitten auf der Straße! Die, die aus dem Dunkel wild kläffend auf uns zu schießen, bemerken wir ohnehin.