Besuche bei PACS und dem Bürgerradio

Sobradinho, 15.10.2023

Das „Projeto Sobradinho“

Auch heute stehen „alte Bekannte“ auf der Besuchsliste. Wir besuchen die Initiative PACS und das Bürgerradio.

Dass sich auf dem Grundstück der PACS etwas tut, sahen wir schon, als wir vor einigen Tagen mit unseren Fahrrädern vorbei fuhren. Nun haben wir die Möglichkeit, mit Cleiber, aktuell der Vorsitzende des Vereins, und anderen Mitarbeiter:innen zu sprechen. Die jüngeren Leute unter ihnen haben alle als Kinder und Jugendliche einige Zeit in dieser Einrichtung zugebracht.
Es ist inzwischen eine überwiegend ehrenamtliche Initiative, die am Wochenende eine Betreuung von Kindern und Jugendlichen anbietet. Gelegentlich stellt die Stadtverwaltung (Präfektur) einen Mitarbeiter für einen Kurs zu Verfügung, zur Zeit aber leider nicht. Wir sehen eine Nachhilfestunde in Mathematik und eine weitere kleine Gruppe, in der die 2. Stunde eines Flötenunterrichts stattfindet. Später gibt es noch Judoübungen. Alles läuft unter Anleitung von freiwilligen Mitarbeitenden.

Rund 50 Familien tragen die Arbeit hier; manche entsenden keine Kinder, sondern bewirtschaften eine Parzelle Gemeinschaftsgarten, der sich dem bebauten Teil anschließt. Die Parzellen stellt PACS kostenfrei zur Verfügung. Da Kleber Agronom ist, kann er den Familien Hinweise geben, wie der Anbau ertragreich und doch nachhaltig gelingt. Die gesamte Fläche, die PACS besitzt, ist recht groß, und ich frage mich, wie diese sinnvoll von dem kleinen Kreis von sechs Aktiven zu verwalten ist. Guido erklärt mir, dass in der ersten Phase des Projekts die „World Vision“ einen Stab von sieben Hauptamtlichen Kräften finanziert hat, um eine umfassende soziale Assistenz für die ärmsten Viertel („Quadras“) von Sobradinho aufzubauen. Nach mehreren Verlängerungen der ursprünglich auf fünf Jahre angelegten Förderung stellte die „World Vision“ ihre Finanzierung ein. Die Hoffnung, dass die Stadtverwaltung von Sobradinho dieses soziale Projekt übernehmen und weiter betreiben würde, hatte sich leider nicht erfüllt. Nun versuchen die ehrenamtlichen Kräfte ihr Mögliches.

Die Arbeiten bei der Einfriedung des Geländes in den letzten Wochen rühren auch daher, dass PACS von Einbrüchen betroffen war, die beträchtliche Vandalismusschäden hinterließen. Nach meinem Eindruck arbeitet die Initiative auf einem Niveau, bei dem wir, GN, hier mir recht geringen Mitteln schon Einges bewirken können. Konkret wäre die Erhöhung des Zaunes an den Längsseiten eines Sportplatzes hilfreich. Damit die Bälle nicht beim Nachbarn landen. Das führt nämlich immer mal wieder zu Auseinandersetzungen wegen kaputter Ziegel o.ä.

Das Bürgerradio

Ein weiterer Besuch steht an: Das Bürgerradio, dem wir zum Start beim Aufbau des Sendeturms geholfen haben. Sowohl Pedro, einer der Programm-Macher, als auch Renalice, die Vorsitzende des Trägervereins begrüßen Guido sehr herzlich und erzählen davon, was in den vergangenen Jahren geschah. Guido wird dann auch in einem Live-Interview im Radio-Programm zu der Situation der Schulen in Deutschland und seiner eigenen Tätigkeit befragt. Anschliessend schildert Renalice sehr ausführlich die rechtliche Situation des Trägervereins.
Angesichts der Pandemie und ihrer Folgen ist die materielle Situation natürlich nicht besser geworden. Da das Radio sich weitgehend selbst tragen soll, gibt es hier m.E. nur wenige Anknüpfungspunkte zur Zusammenarbeit. Um insbesondere die Folgen der Pandemie abzufedern, könnte GN hier über die eine oder andere Unterstützung nachdenken.

Mehr dazu im Beitrag zum Radio

PACS versucht den Neustart

Das Projekt für Gemeinschaftsaktion (Projeto de Ação Comunitária Sobradinho = PACS) hat einen harten Einschnitt hinter sich. Während des fast zwei Jahre dauernden Lockdowns für alle Schulen, Kindergärten und weitere Einrichtungen der Jugendhilfe in Sobradinho hat PACS es sich – anders als Gente Valente – nicht zugetraut, gegen den Erlass aus Salvador und den allgemeinen Trend die Einrichtung schon früher wieder zu öffnen. Allerdings lag der Grund dafür nicht alleine in der Pandemie.

Ein Teil des sanierten Fußballfeldes mit Maschendrahtzaun, über den immer wieder Bälle hinweg geschossen werden.

Noch unter dem vorigen Bürgermeister und vor der Pandemie, also im Jahr 2019, hat PACS sich einige Probleme eingehandelt. Das gravierendste betraf die Stromversorgung. Aus der Gründungszeit, als das Projekt in großem Umfang von der World Vision gefördert wurde, gab es zwei Stromanschlüsse für das Gelände und die Gebäude. Einen davon hat die Elektrizitätsgesellschaft deaktiviert, weshalb PACS die Präfektur um Unterstützung bat, um eine Leitung vom verbleibenden Anschluss in den nicht mehr versorgten Teil des Gebäudes zu verlegen. Das hat die Präfektur auch ausführen lassen, alledings ohne irgendetwas zu dokumentieren. Der Anschluss funktionierte und der Vorstand hat darauf vertraut, dass alles gut läuft. Das böse Erwachen kam, als die Elektrizitätsgesellschaft – vielleicht durch einen Hinweis von „netten“ Nachbarn – eine Kontrolle vornahm und feststellte, dass die Abzweigung vor dem Zähler angebracht war. Damit sah sich PACS dem Vorwurf des Stromdiebstahls ausgesetzt und musste eine Strafe von 6.000 Reais zahlen. Das Geld hatte die Einrichtung nicht, so dass der Strom ganz abgestellt wurde.

Die Mitglieder des Vereins und insbesondere der Vorstand gaben aber nicht auf. Ein großer Teil von ihnen ist schon seit 15 Jahren ehrenamtlich für das Projekt engagiert und ich kenne sie noch aus der ersten Zeit unserer Zusammenarbeit. Sie baten den Bürgermeister erneut um Hilfe und hatten Erfolg. Außerdem suchten sie weitere Unterstützer und veranstalteten Bingos, ein Fest und verkauften selbstgemachte Speisen. Die Frau eines Unternehmers aus dem Stadtteil Vila São Francisco erreichte es, dass ihr Mann mit seiner Firma als Spende eine Zwischendecke in Küche und Essraum einzog. Unter dem mit einfachen Schindeln gedeckten Dach gab es vorher wegen der nistenden Vögel immer wieder hygienische Probleme. Vor Beginn der Pandemie schien es wieder aufwärts zu gehen und sie konnten beginnen, die Strafe wegen des Stroms in Raten abzubezahlen. Allerdings hatten sie keine personelle Unterstützung mehr durch die Kommune und mussten die Angebote und Öffnungszeiten ganz ehrenamtlich bestreiten, was ihnen unter der Woche nur an wenigen Tagen möglich ist.

In der Pandemie kamen zur Schließung weitere Probleme hinzu. Eine Änderung von Gesetzen führte dazu, dass sie die Satzung überarbeiten und neu registrieren lassen mussten. Das ging nur in Juazeiro, denn Sobradinho hat noch kein vollständiges Amtsgericht. Das bedeutete einigen Aufwand und Kosten. Vom neuen Bürgermeister, der Anfang 2020 antrat, haben sie bisher so gut wie keine Unterstützung erhalten. Dann wurde mehrfach in ihren Lagerraum für die Speisung der Kinder eingebrochen und dabei auch ihr Tor im Eingangsbereich zerstört. Es ist schon bemerkenswert, dass sie trotz allem weitermachen.

Nach dem Ende des Lockdowns und insbesondere beim Johannesfest (São João) im Juni nutzten sie viele Gelegenheiten, um durch Bingo, Verlosungen, Verkäufe von Speisen und anderes ein paar Einnahmen zu erzielen. Davon konnten sie nun Material für die Absperrung des Eingangs kaufen und sind dabei sie in freiwilligen Arbeitseinsätzen neu zu errichten. An Samstagen und Sonntagen gibt es nun wieder Öffnungszeiten für die Kinder, zu denen sie neben einem kleinen Imbiss vor allem Nachhilfe in Mathematik und Portugiesisch, Flötenunterricht und Sport anbieten.

Beim Sport gibt es leider erhebliche Hindernisse, da sie das vor einiger Zeit sanierte Fußballfeld nicht mehr benutzen können. Der Maschendrahtzaun rund um das Spielfeld ist nicht hoch genug, um kräftig geschossene Bälle abzufangen. Es kam wiederholt dazu, dass der Ball im Vorgarten oder auf dem Dach der Nachbarn landete. Einmal gingen dabei auch Dachschindeln zu Bruch. Es kam zu Beschimpfungen und Bedrohungen von Nachbarn, wohl sogar mit vorgehaltener Waffe. Bis sie Mittel auftreiben, um den Maschendraht zu erweitern und mit Drahtseilen über Teile des Platzes ein Netz zu spannen, kann der Sport nur auf dem überdachten Versammlungsplatz stattfinden. Zur Zeit bietet dort ein Mitglied des Vereins Judo-Training an. Das Dach dort ist nach fast dreißig Jahren allerdings marode und durch Wind und Vandalismus stark beschädigt. Einen Teil der Abdeckung mussten sie entfernen, damit herunter fallende Teile niemanden verletzen können.

PACS wünscht sich unsere Unterstützung, um für die Kinder und Jugendlichen wenigsten ein kleines Angebot am Wochenende aufrecht zu erahlen, demnächst vielleicht auch wieder an zwei Wochentagen. Sie werden miteinander beraten, welche beiden Maßnahmen zur Zeit die oberste Priorität haben, und uns dann einen Vorschlag schicken, was wir dabei fördern könnten.