Seminar Gemeinwohlökonomie

Ist die Gemeinwohlökonomie ein Wirtschaftsmodell der Zukunft ?

Programm-Faltblatt

Am 17. März 2012 trafen sich ab 11 Uhr 6 Mitglieder von Globale Nachbarschaft e.V. und 2 Mitglieder des Vereins Perspectiva – Partnerschaft Osteuropa bei Familie Büscher in Overath, um sich mit dem Thema „Gemeinwohlökonomie“ kritisch auseinander zu setzen.

Gibt es Wirtschaftsmodelle, die Perspektiven eröffnen angesichts von realsozialistischen Irrwegen und den Krisen des Kapitalismus ?

Als Grundlage diente das im August 2010 erschienene Buch von Christian Felber „Die Gemeinwohl-Ökonomie – ein Wirtschaftsmodell mit Zukunft“,. Das darin vorgestellte Modell war in zahlreichen Vorträgen und mit Hilfe von zwei Dutzend (Attac-) Unternehmern und Unternehmerinnen weiterentwickelt worden. Ziel des Buches ist es, dem notorischen Diskussions-Dilemma „Wer gegen den Kapitalismus ist, ist für den Kommunismus“ zu entrinnen und eine konkrete Systemalternative vorzulegen.

Nach einer visuellen Vorstellung des Autors Christian Felber und einem Hörfunkinterview beschäftigten sich die Teilnehmer mit wesentlichen Einzelheiten des von Christian Felber entwickelten Modells.

  • Die Gemeinwohlökonomie beruht auf denselben mehrheitsfähigen Werten, die unsere Beziehungen gelingen lassen: Vertrauensbildung, Kooperation, Wertschätzung, Demokratie, Solidarität. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sind gelingende Beziehungen das, was Menschen am glücklichsten macht und am stärksten motiviert.
  • Der rechtliche Anreizrahmen für die Wirtschaft wird von Gewinnstreben und Konkurrenz umgepolt auf Gemeinwohlstreben und Kooperation. Unternehmerischer Erfolg wird umdefiniert von Gewinn- auf Gemeinwohlstreben.
  • Das Gemeinwohl wird in einem breiten demokratischen Prozess von unten vordefiniert, später an einen direkt gewählten Wirtschaftskonvent übergeben und per Volksabstimmung in der Verfassung verankert.
  • Gemessen wird das Gemeinwohl in der neuen Hauptbilanz aller Unternehmen: der Gemeinwohlbilanz. Je sozialer, ökologischer, demokratischer und solidarischer Unternehmen agieren und sich organisieren, desto bessere Bilanzergebnisse und höhere Gemeinwohl-Stufen erreichen sie.
  • Die Unternehmen mit den besten Gemeinwohlbilanzen erhalten rechtliche Vorteile, z.B. niedrigere Steuern, geringere Zölle, günstigere Kredite, Vorrang beim öffentlichen Einkauf und bei Forschungsprogrammen. Dadurch können sie ihre höheren Kosten decken.
  • Die Finanzbilanz wird zur Nebenbilanz. Kapital wird vom Zweck zum Mittel. Es dient nur noch dazu, den neuen Unternehmenszweck (Beitrag zum allgemeinen Wohl) zu erreichen. Bilanzielle Überschüsse dürfen verwendet werden für Investitionen (mit sozialem und ökologischem Mehrwert), Rückzahlung von Krediten, Rückstellungen in einem begrenzten Ausmaß, Ausschüttung an die MitarbeiterInnen (bis zum 20-fachen des Mindestlohnes) sowie für zinsfreie Kredite an Mitunternehmen. Nicht verwendet werden dürfen Überschüsse für Ausschüttung an Personen, die nicht im Unternehmen  mitarbeiten, feindliche Aufkäufe anderer Unternehmen, Investitionen auf den Finanzmärkten.
  • Da Gewinn nur noch Mittel, aber kein Ziel mehr ist, können Unternehmen ihre optimale Größe anstreben. Sie müssen nicht mehr Angst haben, gefressen zu werden und nicht mehr wachsen, um größer, stärker oder profitabler zu sein als andere. Alle Unternehmen sind vom allgemeinen Wachstums- und vom wechselseitigen Fresszwang erlöst.
  • Die Einkommens- und Vermögensungleichheiten werden begrenzt: die Maximal-Einkommen auf das 20-fache des gesetzlichen Mindestlohns, Privatvermögen auf 10 Mio Euro, das Schenkungs- und Erbrecht auf 500.000 Euro pro Person, bei Familienunternehmen auf 10 Mio Euro pro Person. Das darüber hinaus gehende Erbvermögen wird als „Demokratische Mitgift“ an alle Nachkommen der Folgegeneration verteilt: Gleiches „Startkapital“ bedeutet höhere Chancengleichheit.
  • …….. Demokratische Allmenden sind Grundversorgungsbetriebe im Bildungs-, Gesundheits-, Sozial-, Mobilitäts-, Energie- und Kommunikationsbereich, die „Daseinsvorsorge“. Eine wichtige Demokratische Allmende ist die „Demokratische Bank“. Sie dient wie alle Unternehmen dem Gemeinwohl und wird wie alle Demokratischen Allmenden vom demokratischen Souverän kontrolliert und nicht von der Regierung. Ihre Kernleistungen sind garantierte Sparvermögen, kostengünstige Kredite, ökosoziale Risikokredite sowie kostenlose Girokonten. Die Finanzmärkte in der heutigen Form wird es nicht mehr geben.
  • Die repräsentative Demokratie wird ergänzt durch direkte Demokratie und partizipative Demokratie. Der Souverän muss seine Vertretung korrigieren, selbst Gesetze initiieren und beschließen, die Verfassung ändern und wichtige Bereiche der Wirtschaft – wie die Banken – kontrollieren können.
  • ………….Da in der Gemeinwohl-Ökonomie unternehmerischer Erfolg eine ganz andere Bedeutung haben wird als heute und deshalb ganz andere Führungsqualitäten gefragt sein werden, werden die sozial verantwortlichsten und kompetentesten, die zum Mitgefühl und zur Empathie fähigen, die über sich hinaus sozial und ökologisch denkenden und fühlenden Menschen tendenziell nachgefragt werden und als Vorbilder gelten.

Der Thementag schloss aus Anlass des Geburtstages der Gastgeberin am nächsten Tag mit einem gemütlichen Beisammensein und Grillen.