Auch heute stehen „alte Bekannte“ auf der Besuchsliste. Wir besuchen die Initiative PACS und das Bürgerradio.
Dass sich auf dem Grundstück der PACS etwas tut, sahen wir schon, als wir vor einigen Tagen mit unseren Fahrrädern vorbei fuhren. Nun haben wir die Möglichkeit, mit Cleiber, aktuell der Vorsitzende des Vereins, und anderen Mitarbeiter:innen zu sprechen. Die jüngeren Leute unter ihnen haben alle als Kinder und Jugendliche einige Zeit in dieser Einrichtung zugebracht. Es ist inzwischen eine überwiegend ehrenamtliche Initiative, die am Wochenende eine Betreuung von Kindern und Jugendlichen anbietet. Gelegentlich stellt die Stadtverwaltung (Präfektur) einen Mitarbeiter für einen Kurs zu Verfügung, zur Zeit aber leider nicht. Wir sehen eine Nachhilfestunde in Mathematik und eine weitere kleine Gruppe, in der die 2. Stunde eines Flötenunterrichts stattfindet. Später gibt es noch Judoübungen. Alles läuft unter Anleitung von freiwilligen Mitarbeitenden.
Rund 50 Familien tragen die Arbeit hier; manche entsenden keine Kinder, sondern bewirtschaften eine Parzelle Gemeinschaftsgarten, der sich dem bebauten Teil anschließt. Die Parzellen stellt PACS kostenfrei zur Verfügung. Da Kleber Agronom ist, kann er den Familien Hinweise geben, wie der Anbau ertragreich und doch nachhaltig gelingt. Die gesamte Fläche, die PACS besitzt, ist recht groß, und ich frage mich, wie diese sinnvoll von dem kleinen Kreis von sechs Aktiven zu verwalten ist. Guido erklärt mir, dass in der ersten Phase des Projekts die „World Vision“ einen Stab von sieben Hauptamtlichen Kräften finanziert hat, um eine umfassende soziale Assistenz für die ärmsten Viertel („Quadras“) von Sobradinho aufzubauen. Nach mehreren Verlängerungen der ursprünglich auf fünf Jahre angelegten Förderung stellte die „World Vision“ ihre Finanzierung ein. Die Hoffnung, dass die Stadtverwaltung von Sobradinho dieses soziale Projekt übernehmen und weiter betreiben würde, hatte sich leider nicht erfüllt. Nun versuchen die ehrenamtlichen Kräfte ihr Mögliches.
Die Arbeiten bei der Einfriedung des Geländes in den letzten Wochen rühren auch daher, dass PACS von Einbrüchen betroffen war, die beträchtliche Vandalismusschäden hinterließen. Nach meinem Eindruck arbeitet die Initiative auf einem Niveau, bei dem wir, GN, hier mir recht geringen Mitteln schon Einges bewirken können. Konkret wäre die Erhöhung des Zaunes an den Längsseiten eines Sportplatzes hilfreich. Damit die Bälle nicht beim Nachbarn landen. Das führt nämlich immer mal wieder zu Auseinandersetzungen wegen kaputter Ziegel o.ä.
Das Bürgerradio
Ein weiterer Besuch steht an: Das Bürgerradio, dem wir zum Start beim Aufbau des Sendeturms geholfen haben. Sowohl Pedro, einer der Programm-Macher, als auch Renalice, die Vorsitzende des Trägervereins begrüßen Guido sehr herzlich und erzählen davon, was in den vergangenen Jahren geschah. Guido wird dann auch in einem Live-Interview im Radio-Programm zu der Situation der Schulen in Deutschland und seiner eigenen Tätigkeit befragt. Anschliessend schildert Renalice sehr ausführlich die rechtliche Situation des Trägervereins. Angesichts der Pandemie und ihrer Folgen ist die materielle Situation natürlich nicht besser geworden. Da das Radio sich weitgehend selbst tragen soll, gibt es hier m.E. nur wenige Anknüpfungspunkte zur Zusammenarbeit. Um insbesondere die Folgen der Pandemie abzufedern, könnte GN hier über die eine oder andere Unterstützung nachdenken.
Das Projekt für Gemeinschaftsaktion (Projeto de Ação Comunitária Sobradinho = PACS) hat einen harten Einschnitt hinter sich. Während des fast zwei Jahre dauernden Lockdowns für alle Schulen, Kindergärten und weitere Einrichtungen der Jugendhilfe in Sobradinho hat PACS es sich – anders als Gente Valente – nicht zugetraut, gegen den Erlass aus Salvador und den allgemeinen Trend die Einrichtung schon früher wieder zu öffnen. Allerdings lag der Grund dafür nicht alleine in der Pandemie.
Ein Teil des sanierten Fußballfeldes mit Maschendrahtzaun, über den immer wieder Bälle hinweg geschossen werden.
Noch unter dem vorigen Bürgermeister und vor der Pandemie, also im Jahr 2019, hat PACS sich einige Probleme eingehandelt. Das gravierendste betraf die Stromversorgung. Aus der Gründungszeit, als das Projekt in großem Umfang von der World Vision gefördert wurde, gab es zwei Stromanschlüsse für das Gelände und die Gebäude. Einen davon hat die Elektrizitätsgesellschaft deaktiviert, weshalb PACS die Präfektur um Unterstützung bat, um eine Leitung vom verbleibenden Anschluss in den nicht mehr versorgten Teil des Gebäudes zu verlegen. Das hat die Präfektur auch ausführen lassen, alledings ohne irgendetwas zu dokumentieren. Der Anschluss funktionierte und der Vorstand hat darauf vertraut, dass alles gut läuft. Das böse Erwachen kam, als die Elektrizitätsgesellschaft – vielleicht durch einen Hinweis von „netten“ Nachbarn – eine Kontrolle vornahm und feststellte, dass die Abzweigung vor dem Zähler angebracht war. Damit sah sich PACS dem Vorwurf des Stromdiebstahls ausgesetzt und musste eine Strafe von 6.000 Reais zahlen. Das Geld hatte die Einrichtung nicht, so dass der Strom ganz abgestellt wurde.
Die Mitglieder des Vereins und insbesondere der Vorstand gaben aber nicht auf. Ein großer Teil von ihnen ist schon seit 15 Jahren ehrenamtlich für das Projekt engagiert und ich kenne sie noch aus der ersten Zeit unserer Zusammenarbeit. Sie baten den Bürgermeister erneut um Hilfe und hatten Erfolg. Außerdem suchten sie weitere Unterstützer und veranstalteten Bingos, ein Fest und verkauften selbstgemachte Speisen. Die Frau eines Unternehmers aus dem Stadtteil Vila São Francisco erreichte es, dass ihr Mann mit seiner Firma als Spende eine Zwischendecke in Küche und Essraum einzog. Unter dem mit einfachen Schindeln gedeckten Dach gab es vorher wegen der nistenden Vögel immer wieder hygienische Probleme. Vor Beginn der Pandemie schien es wieder aufwärts zu gehen und sie konnten beginnen, die Strafe wegen des Stroms in Raten abzubezahlen. Allerdings hatten sie keine personelle Unterstützung mehr durch die Kommune und mussten die Angebote und Öffnungszeiten ganz ehrenamtlich bestreiten, was ihnen unter der Woche nur an wenigen Tagen möglich ist.
In der Pandemie kamen zur Schließung weitere Probleme hinzu. Eine Änderung von Gesetzen führte dazu, dass sie die Satzung überarbeiten und neu registrieren lassen mussten. Das ging nur in Juazeiro, denn Sobradinho hat noch kein vollständiges Amtsgericht. Das bedeutete einigen Aufwand und Kosten. Vom neuen Bürgermeister, der Anfang 2020 antrat, haben sie bisher so gut wie keine Unterstützung erhalten. Dann wurde mehrfach in ihren Lagerraum für die Speisung der Kinder eingebrochen und dabei auch ihr Tor im Eingangsbereich zerstört. Es ist schon bemerkenswert, dass sie trotz allem weitermachen.
Nach dem Ende des Lockdowns und insbesondere beim Johannesfest (São João) im Juni nutzten sie viele Gelegenheiten, um durch Bingo, Verlosungen, Verkäufe von Speisen und anderes ein paar Einnahmen zu erzielen. Davon konnten sie nun Material für die Absperrung des Eingangs kaufen und sind dabei sie in freiwilligen Arbeitseinsätzen neu zu errichten. An Samstagen und Sonntagen gibt es nun wieder Öffnungszeiten für die Kinder, zu denen sie neben einem kleinen Imbiss vor allem Nachhilfe in Mathematik und Portugiesisch, Flötenunterricht und Sport anbieten.
Beim Sport gibt es leider erhebliche Hindernisse, da sie das vor einiger Zeit sanierte Fußballfeld nicht mehr benutzen können. Der Maschendrahtzaun rund um das Spielfeld ist nicht hoch genug, um kräftig geschossene Bälle abzufangen. Es kam wiederholt dazu, dass der Ball im Vorgarten oder auf dem Dach der Nachbarn landete. Einmal gingen dabei auch Dachschindeln zu Bruch. Es kam zu Beschimpfungen und Bedrohungen von Nachbarn, wohl sogar mit vorgehaltener Waffe. Bis sie Mittel auftreiben, um den Maschendraht zu erweitern und mit Drahtseilen über Teile des Platzes ein Netz zu spannen, kann der Sport nur auf dem überdachten Versammlungsplatz stattfinden. Zur Zeit bietet dort ein Mitglied des Vereins Judo-Training an. Das Dach dort ist nach fast dreißig Jahren allerdings marode und durch Wind und Vandalismus stark beschädigt. Einen Teil der Abdeckung mussten sie entfernen, damit herunter fallende Teile niemanden verletzen können.
PACS wünscht sich unsere Unterstützung, um für die Kinder und Jugendlichen wenigsten ein kleines Angebot am Wochenende aufrecht zu erahlen, demnächst vielleicht auch wieder an zwei Wochentagen. Sie werden miteinander beraten, welche beiden Maßnahmen zur Zeit die oberste Priorität haben, und uns dann einen Vorschlag schicken, was wir dabei fördern könnten.
Diesen Tag beginnen wir recht früh in Gente Valente. Dort beginnt jeder Morgen mit einer Andacht für die Mitarbeiterinnen. Das Team von jeweils einer der verschiedenen Gruppen bereitet sie reihum vor. Währenddessen trudeln die Kinder ein. Nicht jedem fällt es leicht, sich von der Mutter zu lösen. Aber allzu viel Zeit, dem Kind „über die Schwelle“ zu helfen, bleibt nicht. Dafür sind es schlicht zu viele Kinder. Ich stehe etwas unschlüssig herum. Christiane „schubst“ mich in einen der Gruppenräume und ich setze mich in den Kreis der Kinder. Das Mädchen, das neben mir sitzt, staunt mich an und nimmt die kommenden 10 Minuten nicht mehr den Blick von mir. Gebete und Lieder, begleitet von Bewegungen füllen die 20 Minuten bis zu einer ersten Mahlzeit. Es gibt Obst und einfache Kekse. Ich vermute für etliche der Kinder ist es wirklich die erste Mahlzeit.
In Brasilien liebt man nicht nur Uniformen, sondern auch Hymnen; und es gibt viele: für Brasilien, Bahia, Sobradinho, Kinder … So nehmen alle in dem großen Patio Aufstellung und es wird kräftig geschmettert. Aber man merkt, dass gerade die kleinsten, schnell müde werden oder es noch sind…
Besuch bei den „speziellen“ Kindern
Nach einem Zwischenstopp in der Casa Antonita fahren Guido und ich zu einer Betreuungseinrichtung für Menschen mit starken Einschränkungen, der APAE. Menschen mit Behinderung nennt man in Brasilien auch „pessoas especais“, spezielle Menschen. Guido wurde von einer Mitarbeiterin hierhin eingeladen. Die Einrichtung kooperiert in einigen Dingen mit der Kindertagesstätte Gente Valente. Einige Kinder von hier hat Gente Valente in der Corona-Zeit aufgenommen. Ein Mädchen wollte partout nicht mehr weg. Ein paar Mal im Jahr gibt es gegenseitige Besuche mit gemeinsamen Aktivitäten.
Mir verschlägt es erst einmal die Sprache. In einem Raum mit nacktem Betonfussboden treffen wir auf knapp 10 Personen. Ein Mann in einem Rollstuhl scheint nur aus Kopf und Rumpf zu bestehen. Eine junge Frau mit multiplen spastischen Lähmungen kniet/liegt auf dem Boden. Downsyndrom oder Mikrozephalie gehören zu den „leichteren“ Einschränkungen. Die Leiterin der Einrichtung berichtet von ihrer Arbeit. Ich zähle neben der Leiterin und einer Köchin 4 Mitarbeiterinnen. Dass es einen festen Mitarbeiterstamm hat, betont mit einem gewissen Stolz die Leiterin. Denn die Kommune versucht immer mal wieder, Leute, für die es keine Verwendung gibt, zu ihr „abzuschieben“. Doch ohne ein beträchtliches Engagement und Liebe für diese Menschen ist diese Arbeit in keiner Weise zu schaffen.
Neben dem erwähnten Raum gibt es drei weitere. Hier versuchen Sie eine elementare Bildung. Die Lernmittel stellen sie selbst mit Hilfe von Vorlagen aus dem Internet her. Vieles, was die Leiterin schildert, kennen wir von Marta. Auch hier kämpft ein freier Träger APAS mit der Kommune um die nötigen Mittel. Hinzu kommt, dass solche Entwicklungsstörungen in der Gesellschaft und auch in den betroffenenen Familien wenig Akzeptanz und Verständnis finden.
Am späten Abend wird noch einmal ausführlich mit dem Vorstand über die Stiftung FUNANB und deren Satzung gesprochen. Es ist eine Fortsetzung des Gesprächs der vergangenen Woche. Auch hier wird Guido noch ausführlich berichten.
Diesen Tag verbringen Guido und ich damit, den Computerraum der Casa Antonita aufzuräumen und in einen arbeitsfähigen Zustand zu bringen. Ich verschone die Leser:innen (und mich) mit Schilderungen der Details. Wir verbringen einen ganzen Tag damit, um einen von ca. 10 Rechnern zu reanimieren und die von uns mitgebrachten bzw. den gestern erworbenen Rechner einzurichten. So können wir vier Computer einigermaßen funktionierend zurücklassen. Doch damit ist nur eine Voraussetzung für die Arbeit von Schülerinnen am Computer geschaffen. Eine erste elementare Einweisung der anwesenden Schülerinnen zeigt, dass die CA in dieser Arbeit wieder ganz am Anfang steht.
Mittwoch, 05.10.2023
Nachdem wir Restarbeiten im Computerraum erledigt und einfache Lernprogramme installiert haben, beginnen wir mit der „1. Stunde“. Wir sehen, dass erst einmal die Handhabung von Maus und Tastatur eingeübt werden müssen. Es wird sicher ein weiter Weg, doch es ist ein Interesse da und bei manchen auch eine rasche Auffassungsgabe. Ohnehin bleibt das Staunen über die Fremden aus dem fernen Land. Es ist bei den Teenagern nicht anders als bei den Grundschülern in der ersten Woche. Nicht nur diese erste Schulung sondern auch die übrige Arbeit der Casa Antonita wird am fortgeschrittenen Abend zum Thema.
Einsatz in Gente Valente
Dann ein typischer Einsatz fuer Marta: Sie bekommt einen Hinweis, dass sie eine Spende für ihre Einrichtungen bei der „banco dos alimentos“ abholen kann, einem Großmarkt. In der größten Hitze des Nachmittags 50 KM nach Petrolina zu fahren, ist kein Spass, zu mal wir vorgestern die Strecke schon genossen haben! Doch wenn man zweimal ein Angebot ausschlägt, „ist man raus“! Ich fahre mit, damit wir uns gegenseitig wach halten. Eimal mehr ist der Pickup von Nutzen. Genau tragt Marta die Daten in ein Fahrtenbuch ein.
Der Vorstand
Der gesamte Vorstand der Stiftung, die Gente Valente und Casa Antontita trägt und „Fundação Antonita Bandres“ heißt, trifft sich am Abend mit Guido und mir. Details der recht langen Sitzung wird Guido an anderem Ort berichten. Es wurde auch mir mit sehr begrenzten Sprachkenntnissen klar, dass viel im Umbruch ist. Die Zukunft von FUNAB bzw. Casa Antonita liegt im Dunklen, wie schon öfter.
Bei der Gelegenheit haben die Freunde Guido und mir Fahrräder zur Verfügung gestellt. So fahren wir die etwa 3 km vom Haus Cândidas, wo das Treffen stattfand, zurück zu Martas Haus. Man tut gut daran, auf schlafende Hunde zu achten – mitten auf der Straße! Die, die aus dem Dunkel wild kläffend auf uns zu schießen, bemerken wir ohnehin.
Wir lösen ein Versprechen ein, dass Guido Marta 2015 gegeben hatte: Ich komme bald wieder und dann machen wir den Computerraum wieder flott! Den Computerraum der Casa Antonita hat erstmalig 2006 eine Gruppe von Globale Nachbarschaft mit gespendeten und gekauften Geräten eingerichtet. Einige der Geräte stammen immer noch aus dieser Zeit! Nach einigen Tagen haben wir es geschafft, ein paar wieder zum Laufen zu bringen und können einen Basis-Kurs mit den Mädchen beginnen…
Für die Ausbildung in der Schule gibt es neben den Gärten und Feldern auch einige Tiere. Die Rinder bekamen während wir dort waren Nachwuchs und das Gehege wurde für die Pflege der Kälber erweitert. Daraus machte Tiago direkt eine praktische Unterrichtseinheit für Schüler der Oberstufe.
Die Bäckerei der Schule – Hier wird fast täglich Brot gebacken und ab und zu Kuchen.Der untere Schulhof mit Schulglocke und Turnhalle. Einmal im Jahr findet hier der große Erdbeer-Markt als Volksfest statt.Das Lehrerzimmer – im Vordergrund Jochen Anger beim Verfassen unserer Reiseberichte.Das Wasser zum Duschen wird per Solarthermie aufgewärmt. In den Wintermonaten freut man sich darüber im empfindlich kühlen Hochland.Rückseite des Schulgebäudes. Der rechte Abschnitt ist erst zum Teil saniert. Undichte Wasserleitungen für die sanitären Anlagen haben Spuren hinterlassen.Weitere Facetten des Alltags
Aktuell besuchen 185 Schüler die EFA von São João do Garrafão, verteilt auf acht Klassen. Die vier Klassen der Mittelstufe (6. bis 9. Klasse) und das erste Jahr der Oberstufe („ensino médio“) sind mit 23 bis 26 Schülerinnen und Schülern so voll besetzt, wie die Klassenräume es ermöglichen. Die weiteren Jahrgänge der Oberstufe sind etwas kleiner, da im Laufe der Zeit immer einige Schüler die Ausbildung abbrechen, meistens wegen der Arbeit auf den eigenen Feldern. Auch im Laufe der Mittelstufe gibt es Abgänge, aber seltener. Die Nachfrage nach Plätzen in der Schule – sowohl für die Mittel- wie für die Oberstufe – steigt seit Jahren ständig. Die EFA muss mehr und mehr Anträge ablehnen. Insbesondere für Einstiegsklassen in der Mittel- und Oberstufe würden größere Räume gebraucht, um mit mehr Schülern beginnen zu können.
Wenn wegen der neuen Gesetze (siehe „Neue Genehmigung“) das vierte Jahr der Oberstufe bald weg fällt, wird die Schülerzahl insgesamt sinken. Da das Bundesland E.S. das Geld für die Lehrergehälter im Verhältnis zur Schülerzahl zuteilt, wären dann die Gehälter der zur Zeit zwölf Lehrer im Kollegium nicht mehr vollständig refinanziert. Es gibt also mehrere Gründe, die Klassen zu vergrößern, wofür die Schule zuerst größere Unterrichtsräume bräuchte.
Neue Räume
Außer der Zahl der Schüler in Klassenräumen gibt es weitere Gründe, das Gebäude der EFA auszubauen. Es fehlen Fachräume für Naturwissenschaften, für ein landwirtschaftliches Labor und für Musik. Der Computerraum ist zu klein. Für Versammlungen mit Eltern oder Schülern, Abschlussfeiern, Vorträge, öffentliche Veranstaltungen und weitere Ereignisse fehlt ein geeigneter Versammlungsraum (Aula bzw. „auditório“). Zur Zeit wird dafür der Essraum verwendet, der aber wenig geeignet ist. Abgesehen davon, dass er durch viele Säulen unterbrochen und recht dunkel ist, stört bei größeren Gruppen sowohl die Möblierung mit Tischgruppen als auch die Tatsache, dass eine ganztägige Nutzung parallel zum Schulbetrieb wegen mehrerer Mahlzeiten der Schüler nicht möglich ist.
Unsere Gespräche mit einem der beiden Geschäftsführer der MEPES, mit dem Kollegium und mit Leonora kamen alle zu dem Ergebnis, dass eine Erweiterung der Schule sowohl hinsichtlich der Größe der Klassenräume als auch durch weitere Räume notwendig ist. Vor etwa zehn Jahren gab es dazu schon einen Versuch. Damals hatte das Bundesland einen Erweiterungsbau zugesagt und die Präfektur (Kommunalverwaltung) hatte mit der Ausführung auch begonnen. Durch Fehlplanungen und fehlende Mittel von staatlicher Seite blieb der Bau aber im Ansatz stecken. Die teilweise errichteten Mauern wurden inzwischen wieder abgerissen.
Erweiterung von der Stange
Gespräche mit Politikern auf allen drei staatlichen Ebenen führten kürzlich zu einem Vorschlag für einen neuen Versuch. Die Senatorin Rose de Freitas – der Senat in Brasilia ist die zweite Kammer auf Bundesebene – hat versprochen, sowohl die Planung als auch die Umsetzung der Erweiterung aus Mitteln des Bundes zu bestreiten. Der Vorschlag hat allerdings gravierende Nachteile: Die Senatorin muss bei den Wahlen am 2. Oktober wiedergewählt werden und der Zeitpunkt der Bereitstellung von Geldern ist ungewiss. Noch gravierender ist, dass es sich bei der Planung um eine Standardplanung (Modellplan) für eine Grundschule mit fünf Klassen handelt. Es fallen nur deswegen kaum Planungskosten an, weil die Planung „von der Stange“ bereits vorliegt. Die Senatorin konnte immerhin erreichen, dass ein Techniker das Grundstück vermessen hat und feststellte, dass der Platz auf dem unteren Teil des Schulgeländes für den Standardplan grundsätzlich ausreicht.
Als wir in Garrafão ankamen (siehe Bericht zum Tag 1) wurde der Vorschlag der Senatorin gerade von Schulleitung und Geschäftsführung der MEPES diskutiert und wir konnten uns an dem Gespräch beteiligen. Es wurde klar, dass der Standardplan auf den ersten Blick verlockend ist, aber erhebliche Probleme mit sich bringt. Zwar würden kaum Planungskosten anfallen, aber dafür nähmen die neuen, durchweg eingeschossigen Gebäude viel Raum auf dem Schulgelände ein, der bisher für größere Veranstaltungen gedient hat, vor allem für das Erdbeerfest. Zwischen dem alten und dem neuen Gebäude entstünde ein recht großer Abstand, wobei die Kombination der Nutzung Schwierigkeiten bereitet. Im Standardplan wären die Klassenräume auf 30 Schüler ausgelegt, was mindestens für die Einstiegsklassen noch zu klein wäre. Die im Modell vorgesehene Küche und das Lehrerzimmer reichten auf keinen Fall aus. Änderungen des Standardplans sind aber ohne erhebliche Zusatzkosten nicht möglich. Das alte Gebäude müsste für ein bis zwei Klassenräume, Internat, Küche, Essraum und mehr parallel zum neuen im Rahmen aller Auflagen hergerichtet und unterhalten werden. Nach mehreren Gesprächen, zuletzt am Verwaltungssitz der MEPES, waren sich alle Beteiligten einig, dass die neue „Modell-Schule“ mehr Probleme als Lösungen brächte.
Ein neuer Plan für das Schulgebäude
Eine andere Möglichkeit zur Erweiterung der Schule bietet sich, wenn der derzeitige Essraum samt Küche abgerissen und neben dem bisherigen Gebäude neu errichtet würde. Die Küche müsste ohnehin grundlegend umgebaut werden und der Essraum ist, wie bereits erwähnt, verwinkelt und dunkel. Die Fläche des bisherigen eingeschossigen Essraums würde es ermöglichen, das eigentliche Gebäude auf bis zu drei Geschossen zu erweitern. Alle Räume für den Unterricht wären so in ausreichender Größe unter einem Dach vereint und erfüllten alle Anforderungen an Brandschutz und Barrierefreiheit. Über Essraum und Küche könnte ein ausreichend großer Versammlungsraum entstehen.
Links in grün der dreigeschossige Teil mit Unterrichtsräumen unten und Schlafräumen oben. Rechts mit Giebeldach der Essraum und die Küche. Dieser Teil soll links vom jetzigen Gebäude neu errichtet werden.
Je nach Ausgang der Wahlen könnte die Schule für dieses Erweiterungsprojekt Gelder bei der Senatorin oder beim Bundesland E.S. beantragen. Sollte der aktuelle Gouverneur von E.S. wiedergewählt werden, wären beim Bundesland die Chancen für eine zeitnahe Verwirklichung des gesamten Erweiterungsprojekts groß. Voraussetzung ist allerdings auch dabei, dass zunächst eine vollständige Planung erstellt wird, wofür staatliche Stellen keine Gelder geben. Die Präfektur könnte wohl mit eigenen Fachleuten die Planung oder einen Teil davon selbst ausführen, aber damit hat die Schule bereits schlechte Erfahrungen gemacht und außerdem ist die Bereitschaft der Stadtverwaltung bisher nicht erkennbar.
Der Bauunternehmer Sérgio, zum dem die MEPES seit langem gute Kontakte hat und der über ein qualifiziertes Planungsteam für alle Bereiche der Bautechnik verfügt, wird am 8. Oktober die Schule besuchen und sich sowohl für die Rampe als auch für die anderen Erweiterungen die Möglichkeiten ansehen. Danach gibt er eine Einschätzung, was in welcher Form aus baulicher Sicht sinnvoll ist und wie hoch die Kosten der Planung wären. Wenn es möglich ist, die Kosten für die Planung aufzubringen, könnte die Schule Anfang nächsten Jahres den Antrag stellen und womöglich noch 2023 mit der Erweiterung beginnen. Die Antragstellung und Umsetzung würde am besten über die MEPES erfolgen, da die MEPES als Verband offizieller Schulträger ist und über direkte Kontakte zur Landesregierung verfügt.